30.09.2019 | 17:00 Uhr | Gägelow

"Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht" - Macbeth – Shakespeare

"Russenkinder" berichten am Montag den, 30. September 2019 um 17:00 Uhr

in der ASB Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS),

Dorfstr. 10, Gägelow über ihre Erfahrungen als Kinder des Feindes.

Sie waren nicht gewollt und sind doch geboren worden. Gezeugt von Angehörigen der Sowjetarmee mit einer deutschen Frau, in Gewalt oder in einer Liebesbeziehung.

Alle gemeinsam haben eine Erfahrung gemacht: Fast immer ein lebenslanges Schweigen der Mütter, auch über den Tod hinaus. Viele der Kinder leiden noch heute darunter. Mit dem Buch " Distelblüten - Russenkinder in Deutschland" gehen die heute über 70jährigen an die Öffentlichkeit, brechen die Mauer des Schweigens bei sich selbst und bei anderen. Sie haben die befreiende Wirkung des Schreibens und des Sprechens erfahren. Viele der weit über 100 000 Russenkinder, die 1945 und danach geboren wurden, leben noch heute als " Schattenkinder ", wissen nichts von ihrer wahren Identität oder schweigen noch immer aus Scham und Angst vor Stigmatisierung. In allen Kriegen tritt dieses Phänomen auf, es waren nicht nur die Russen, sondern alle Alliierten, die Kinder zeugten. Auch bei den aktuellen Konflikten im Nahen Osten und Afrika, selbst bei den Friedenstruppen der Vereinten Nationen gibt es „Kinder des Krieges“. Der Friedensnobelpreis 2018 würdigt die Bedeutung des Themas und auch, dass die norwegische Regierung 2018 sich bei den „Deutschenkindern“ entschuldigt hat, zeigt, wie lange die Zeit des Schweigens gedauert hat.

 

Winfried Behlau, Herausgeber des Buches, ist aus einer Vergewaltigung entstanden und hat Abtreibungsversuche überlebt. Birgit Michler aus dem sächsischen Zittau, stammt aus einer Liebesbeziehung. Deswegen wurde die Mutter zur Abtreibung nicht zugelassen. So hatten beide die Chance auf Leben. Andere hatten es nicht, die Zahl ist nicht bekannt. Eine Studie der Leipziger Universität führte zur Gründung der Gruppe „Distelblüten“. Beim ersten Treffen in Leipzig 2014 erlebten sie erstmalig die positive Wirkung des Sprechens über die eigenen Erfahrungen. Ende des Jahres war das Buch „Distelblüten –Russenkinder in Deutschland“ druckfertig. Warum es „Distelblüten“ heißt, erklären die beide Russenkinder natürlich in Gägelow. Sie nehmen immer noch staunend wahr, welche Resonanz sie mit ihren Berichten erzielen.

Es gab etliche Radiobeiträge, Fernsehsendungen und ausführliche Presseartikel, Lesungen und Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen. Das Buch liegt auch in englischer Übersetzung vor. Es werden keine Anklagen erhoben, kein Jammern, sondern es geht um einen Teil der Geschichtsschreibung, der alle Kriege betrifft und der bisher mit einem Mantel des Schweigens umgeben war.

Die ASB Kontakt- und Informationsstelle lädt Interessierte zur Lesung und zum anschließenden Gedankenaustausch mit den Autoren ein.

Um Anmeldung wird gebeten unter kiss@asbwismar.de bzw. 03841/222616