08.07.2020 | Ostsee-Zeitung

Mit Unternehmenslust gegen die Einsamkeit

Herbert Reimers ist Mitglied der Selbsthilfegruppe für alleinlebende Männer/
Neue Bekanntschaften bringen Abwechslung in seinen Alltag

von Kerstin Schröder

Wismar: „Einsamkeit macht krank, das wollen wir mit Gesprächen versuchen zu ändern“, sagt Herbert Reimers. Der Wismarer ist 80 Jahre alt und lebt schon seit vielen Jahren allein. Um Abwechslung in seinen Alltag zu bekommen, trifft er sich regelmäßig zweimal im Monat mit drei anderen Single-Männern. Einer ist wie er verwitwet, die beiden anderen sind geschieden. Eins verbindet sie alle: Sie sind Rentner und freuen sich über Menschen, mit denen sie ein wenig Zeit verbringen können. Die finden sie in der Selbsthilfegruppe „Gegen die Einsamkeit“. Das Besondere ist: Sie ist nur für Männer.

„Wir haben nichts gegen Frauen“, betont Herbert Reimers. Doch Männer könnten untereinander offener über bestimmte Themen sprechen. „Zum Beispiel über Krankheiten, die nur wir kriegen können“, erklärt er. Aus diesem Grund sei im Herbst vergangen Jahres die Gruppe gegründet worden.

Herbert Reimers hat lange in Hamburg gelebt und bis zu seiner Rente als selbstständiger Gärtner gearbeitet. Sein Sohn aus erster Ehe ist gestorben, seine zweite Frau auch. Mit ihr hat er nicht so viel Zeit verbringen können wie erhofft. Kurz nach der Hochzeit wurde sie schwer krank, fünf Jahre später ist sie gestorben. „Sie war wunderbar“, schwärmt Herbert Reimers noch heute von ihr. Mehr Familie hat er nicht.

Trotz der Verluste hat der Senior sein fröhliches Gemüt nicht verloren. Er ist gerne unterwegs, schreibt Bücher. Und er sucht nette Bekanntschaften. Mit den Männern der Selbsthilfegruppe hat er sich gestern Nachmittag in einem Wismarer Café getroffen. Etwa zwei Stunden lang sprechen sie über alles, was sie bewegt. In der Corona-Zeit haben sie das am Telefon getan oder per E-Mail. Mittlerweile sehen sie sich wieder - meist an der frischen Luft. In Fährdorf, auf der Insel Poel hat Herbert Reimers die anderen unter einem Holzhäuschen zu einem Imbiss eingeladen mit tollem Ausblick auf die Wismarbucht. „Man kann es sich auch ohne viel Geld auszugeben schön machen“, betont er.

Seit neun Jahren lebt Herbert Reimers in Wismar. Durch Urlaubsreisen hat er die Region lieb gewonnen und schließlich zu seiner Heimat gemacht. Der Fernseher wird kaum angeschaltet, dafür schreibt der 80-Jährige gerne. Das halte seine Gehirnzellen auf Trab. Drei Bücher sind schon entstanden, eins davon wurde veröffentlicht: „Vorsicht, Liebesfalle!“ Das hat er zusammen mit einer Lehrerin geschrieben, von ihr stammt der Haupttext.

Neben dem Schreiben mag Herbert Reimers auch vorlesen. Er ist Lesepate für Kinder. In der Bibliothek liest er ihnen aus Büchern vor. „In der Corona-Zeit ist das leider nicht möglich“, bedauert er. Das Lachen der kleinen Zuhörer fehle im sehr. „Es ist keine Schande, alleine zu sein, aber es ist verkehrt, wenn man nichts dagegen tut“, betont der Wismarer. Um ein paar Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag zu bekommen, hat er in der OSTSEE-ZEITUNG eine Anzeige geschaltet mit dem Inhalt: Einsamer Rentner wünscht sich ein paar nette Glückwünsche!

Und was meinen Sie, wie viele Zuschriften ich bekommen habe?“ fragt er mit einem verschmitzten Lächeln und gibt die Antwort gleich selbst: 53! Überwältigt und glücklich sei er über die Briefe und Postkarten gewesen, dass so viele Menschen einem Fremden etwas Glück geschenkt haben.

Zwei Treffen im Monat

Im Herbst 2019 ist die Selbsthilfegruppe „Gegen die Einsamkeit“ unter dem Dach des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) gegründet worden. Sie ist für alleinlebende Männer. Sie treffen sich regelmäßig an jedem ersten und dritten Dienstag im Monat um 14:00 Uhr. Willkommen sind Männer jeder Altersgruppe. Alle Gespräche unterliegen der Schweigepflicht und sind vertraulich. Die Kontaktaufnahme ist möglich über Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS) Dorfstraße 10, Gägelow, E-Mail: kiss@asbwismar.de oder Telefon: 03841/ 22 26 16

Quelle:
Schröder, Kerstin (2020, Juli 8). Mit Unternehmungslust gegen die Einsamkeit, OSTSEE-ZEITUNG,
S. 10